Claim: der beste Freund des Werbe­menschen. / Teil 2

Perspektiven

Fast drei Jahre ist es her, dass wir den ersten Teil zu Claims, Slogans oder Taglines geschrieben haben, in dem wir erklären, warum Claims enorm wertvolle Markenassets sind und welche Arten es gibt.

Diese drei Jahre Abstand waren natürlich pure Absicht. Denn sie führen uns direkt zu einem wichtigen Thema bei Claims:

Claims brauchen Zeit.

Geduld und langer Atem sind wichtige Eigenschaften in Werbung und Marketing. Immerhin geht es um nicht weniger als die Aufmerksamkeit der Konsument*innen. Und die muss man sich im täglichen Gewitter an Informationen, Unterhaltung und Werbung konsequent und ausdauernd erarbeiten. Ja, sogar verdienen.

Claims können dabei der „Fels in der Brandung“ sein, Kommunikation zusammenhalten („Im Falle eines Falles klebt ein Claim wirklich alles.“) und Verlässlichkeit und Konstanz vermitteln. Sie benötigen dafür aber Zeit, um sich – Stichwort: Branding – einzubrennen und für ein Unternehmen zu arbeiten.

Es gibt wenig Geduld mit neuen Strategien und Ideen. Was nicht beim ersten Flight funktioniert, wird aussortiert.

In den vergangenen Jahren kann man leider das Gegenteil beobachten: Es gibt wenig Geduld mit neuen Strategien und Ideen. Was nicht beim ersten Flight funktioniert, wird aussortiert. Und jeder neue Marketing-Lead bedeutet selbst für etablierte Claims: zittern.

Claims sind – im Gegensatz zu einem CD zum Beispiel – einfach zu ändern und ein echtes Operationalisierungs-Schnäppchen. Man kann hier sehr schnell den Anschein erwecken, gehandelt und etwas bewegt zu haben. Auch, wenn man damit schlecht beraten ist. Wie das Beispiel von Volvo zeigt:

How to do Claims – am Beispiel von Volvo.

Volvo steht für Sicherheit, richtig? Richtig. Über Jahrzehnte hat sich der schwedische Automobilkonzern eine Lücke in einem Segment gesichert, in dem es vor starken Marken nur so wimmelt. Und dieser Anspruch kommt zwischen all dem Sex-Appeal, der Kraft und der Technik, die andere Marken verströmen, fast konservativ, aber dafür essenziell daher: Volvo schützt dein Leben. Kann es ein sinnvolleres Versprechen geben?

All das wurde auf den Punkt gebracht vom Claim der Marke: For Life. Volvo For Life. So schön, so einfach und einprägsam. Und gleichzeitig so mehrdeutig. Denn neben dem Sicherheitsversprechen transportiert der Claim auch noch Haltbarkeit („hält ein ganzes Leben“) und Markenloyalität („einmal Volvo, immer Volvo“).

„Volvo For Life“ als Claim:

  • ist mehrdimensional
  • bringt die Markenidentität auf den Punkt
  • fördert Kreativität
  • ist zukunftsoffen (er ist in der Lage, alle neueren Marketingansätze wie EVP (Mitarbeitendenbindung) oder Purpose (Schutz der Menschen und der Umwelt) leichtfertig mitzutragen)

 

Ein ziemlich perfekter Claim also. Warum sollte man ihn ändern?

 

How NOT to do Claims – am Beispiel von Volvo.

2010 wurde Volvo an den chinesischen Automobilhersteller Geely verkauft. 2011 war es dann so weit: neue Wachstumspläne, neue Markenstrategie und ein neuer Marketingchef. Und damit auch ein neuer Claim. Weg von einer Markenidentität, die vom gesamten Unternehmen verkörpert wurde, weg von einer Markt- und Markenlücke hin zu – „irgendwas mit Luxus“.

Ja, wirklich. Die Marke, die seit Jahrzehnten für Sicherheit stand und sich damit ein echtes Alleinstellungsmerkmal erarbeitet hatte, sollte ihr Feld anderen überlassen und sich im Luxussegment positionieren. Zusammen mit den vielen Marken, die sich dort seit Jahrzehnten erfolgreich platziert hatten.

All das sollte von einem One-Size-Fits-All-Claim getragen werden: „Designed Around You“. Er sollte sagen: „Das hier ist genau auf dich und deine Bedürfnisse zugeschnitten“. Und er könnte in dieser Form zur Deutschen Bahn, XXXLutz, Burger King und nahezu jedem anderen Unternehmen passen.

„Designed Around You“ als Claim:

  • ist eindimensional
  • ist allgemeingültig bis austauschbar
  • erzählt nichts über die Marke oder ihre Kund*innen

 

„Designed Around You“ war kein guter Claim. Deshalb musste er nur wenige Jahre nach Einführung wieder weichen. Er wurde ersetzt durch einen richtig guten Claim: „Volvo For Life“.

Claims müssen Raum für Interpretation geben. Aber nicht zu viel.

Das Beispiel von Volvo zeigt zwei wichtige Punkte für den Erfolg eines Claims:

  1. Er muss den Kund*innen Anknüpfungspunkte zur Identifikation bieten. Und diese inhaltlichen Touch Points müssen im besten Fall so breitgefächert sein, dass sich eine möglichst hohe Zahl an Käufer*innen mit der Marke identifizieren kann. Im Fall von „Volvo For Life“ sind das Menschen, die sich ein sicheres Auto wünschen, ein qualitativ hochwertiges und haltbares oder ein sehr nachhaltiges. Also, eine klar umrissene Ziel­gruppe mit Bedürfnissen, die man sehr gut adressieren kann.
    Im Fall von „Designed Around You“ besteht diese Ziel­gruppe aus allen und damit aus: niemandem.
  2. Werbe­agenturen müssen im Claim Spielraum vorfinden, damit ein Slogan lange gespielt werden kann, ohne langweilig zu werden. Er muss sogar lange gespielt werden, damit er überhaupt die Chance hat, ins Unterbewusstsein von Kund*innen zu dringen. Siehe KitKat und ihre Pause, siehe Volvo, siehe Nike und so viele andere erfolgreiche Marken.

Ergo: Gute Claims bieten Fläche, auch mal Angriffsfläche. Damit Menschen sagen können: „Das ist für mich, das ist nicht für mich.“

Konsument*innen müssen mit Hilfe des Slogans in der Lage sein, eine Marke zu ihrer zu machen. Sie benötigen dafür klare Anknüpfungspunkte. „Für alle“ ist keiner dieser klaren Anknüpfungspunkte.

Claims sind Unternehmensessenzen.

Die Gründer von Volvo hatten eine klare Vision: "Cars are driven by people – the guiding principle behind everything we make at Volvo, therefore, is and must remain safety." Sicherheit war schon vor dem Slogan tief im Unternehmen verwurzelt. Aufgabe eines guten Claims ist es, freizulegen, sichtbar zu machen und aufzupolieren, was bereits in einem Unternehmen steckt. Was es im Innersten zusammenhält.

Nur, wenn der Claim auch etwas mit dem Unternehmensalltag oder der -identität zu tun hat, kann er auch glaubwürdig sein. Wenn es keine Steilvorlage wie bei Volvo gibt, müssen Werbe­agentur (zum Beispiel eine Werbe­agentur aus Köln) und Unternehmen eine Aussage finden, der man in Zukunft gerecht werden kann.

Was zeichnet einen guten Claim oder Slogan aus?

Volvos „For Life“-Claim gibt hier ein sehr gutes Vorbild ab. Denn ein guter Claim:

  • ist aus dem Unternehmen / dem Produkt abgeleitet und bringt die Identität auf den Punkt
  • ist glaubwürdig, denn er entspringt entweder einem klaren Benefit oder gibt eine Vision ab, der die Marke / das Produkt in Zukunft gerecht wird
  • ist mehrdimensional und bietet damit Platz für Interpretation / Ausgestaltung durch Werbe­agenturen sowie Anknüpfungspunkte zur Identifikation durch Konsument*innen
  • ist einprägsam

 

Claims können ein enorm wertvolles Kommunikations-Asset sein – wenn sie in der kommunikativen Praxis eingebunden sind und wirklich genutzt werden. Um die Praxis soll es im dritten Teil gehen, der – fast eine Tradition – hier verlinkt wird, sobald er fertig ist.

Über Claims kann man eben noch sehr viel erzählen. Oder kurz: Claims 4 Life.